deutsch-sowjetisches Sonderabkommen in Rapallo

deutsch-sowjetisches Sonderabkommen in Rapallo
deutsch-sowjetisches Sonderabkommen in Rapallo
 
Auf Initiative des britischen Premierministers David Lloyd George kam im April 1922 in Genua eine internationale Wirtschaftskonferenz zustande, auf der zum ersten Mal seit den Pariser Friedensschlüssen die wirtschaftlichen und politischen Probleme Europas beraten werden sollten. Alle europäischen Staaten waren vertreten, erstmalig auch die Sowjetunion. Voller Erwartungen blickte die internationale Öffentlichkeit nach Genua; man vermutete die Bildung eines internationalen Wirtschaftskonsortiums mit Beteiligung der Deutschen.
 
Zu Beginn der Konferenz zeigte sich jedoch, dass eine gleichberechtigte Behandlung der Deutschen nicht beabsichtigt war. Zudem war das für Deutschland wichtige Reparationsthema auf Veranlassung Frankreichs von der Tagesordnung gestrichen worden. Die Sowjets waren an einer internationalen Organisation zum Aufbau ihres Landes nicht interessiert, da sie darin eine weitere Einmischung sahen. Sie drängten deshalb die Deutschen, mit ihnen ein Sonderabkommen abzuschließen. Die Delegationen trafen sich am 16. April 1922 im benachbarten Rapallo und unterzeichneten einen Vertrag, in dem beide Seiten auf den Ersatz ihrer Kriegskosten und Zivilschäden verzichteten. Für den künftigen Handels- und Wirtschaftsverkehr sollte der Grundsatz der Meistbegünstigung gelten. Die diplomatischen und konsularischen Beziehungen wurden wieder aufgenommen.
 
Bei den Alliierten wurde die Nachricht vom Abschluss dieses Vertrages mit Empörung aufgenommen. Die Deutschen beeilten sich zu versichern, dass sich an der westlichen Orientierung nichts geändert habe und man keineswegs beabsichtige, nunmehr den Westen gegen den Osten auszuspielen. Allerdings waren nun vorerst alle deutschen Bemühungen um eine Herabsetzung der Reparationen und um einen Zahlungsaufschub zum Scheitern verurteilt. Auch der britische Premierminister Lloyd George war über den eigenmächtigen Schritt der Deutschen verstimmt und näherte sich nun wieder der unnachgiebigen Haltung des französischen Ministerpräsidenten Poincaré. Der Rapallovertrag hat dennoch für die deutsche Republik eine Phase größerer diplomatischer und politischer Bewegungsfreiheit eingeleitet; für die international bisher isolierte Sowjetunion brachte er eine erste diplomatische Aufwertung.

Universal-Lexikon. 2012.

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